
Effizientes Energiemanagement
Datenerhebung und -vorbereitung als Voraussetzung für effizientes Energiemanagement
Ein Beitrag von Damian Bartocha
Als Grundlage für eine systematische Energieeffizienzsteigerung erfahren Sie in unserem Beitrag praktische Methoden zur Erhebung und -aufbereitung von Energiedaten. Darüber hinaus werden wichtige Datenquellen zur Erfassung des Energieverbrauchs und energierelevanter Einflussfaktoren dargestellt.
Inhaltsverzeichnis
- Nutzen von Energiedaten im Kontext Energiemanagement
- Die „Data Analytics Pipeline“ im Überblick
- Energie-Datenquellen
- Fazit
Nutzen von Energiedaten im Kontext Energiemanagement
Viele Unternehmen, darunter auch Betreiber von Rechenzentren, sind auf Basis der Auflagen des Energieeffizienzgesetzes (seit dem 18. November 2023) dazu verpflichtet, Maßnahmenpläne zur Endenergieeinsparung zu erstellen oder ein Energie-/Umweltmanagementsystem einzuführen.
Um die daraus resultierenden Energieziele zu erfüllen, kann eine systematische Analyse von Energiedaten und einflussgebenden Faktoren dabei helfen, Signifikante Energieverbraucher (SEU) herauszustellen, Energieintensive Zeiträume zu identifizieren oder energierelevante Wartungsbedarfe in Anlagensystemen aufzudecken.
Die „Data Analytics Pipeline“ im Überblick

Die Data Analytics Pipeline beschreibt ein systematisches Vorgehen von der Erhebung von Datenquellen bis zur Datenauswertung.
Capture (Daten erfassen)
In der aktuellen Phase erfolgt die Definition der Datenquellen für die spätere Datenanalyse. Grundlage hierfür sind die zuvor festgelegten Energieziele, die mithilfe von Energieleistungskennzahlen (EnPIs) quantifiziert und überwacht werden. Diese Kennzahlen können als Absolutwerte, Verhältniswerte oder in Form eines statistischen Modells definiert werden (vgl. DIN ISO 50006: Leitfaden zur Erstellung von Energieleistungskennzahlen).
Zur Erreichung der Energieziele ist es von zentraler Bedeutung, im Rahmen eines Messstellenkonzepts, für jede Datenquelle Anforderungen an die Datenerhebung zu dokumentieren, darunter Aspekte wie Messmethodik, -frequenz und -genauigkeit. Zudem ist für die erfolgreiche Implementierung des Messstellenkonzepts ein effizientes Stakeholdermanagement erforderlich, um Verantwortlichkeiten bei der Datenerfassung zu klären und den Zugang zu den relevanten Datenquellen sicherzustellen (z. B. IT-Zugänge zur Gebäudeleittechnik). Leitlinien zur Messung und Verifizierung von Energiedaten sind in der ISO 50015 dokumentiert.
Zur Übertragung der Daten in ein Zielsystem zur weiteren Vorverarbeitung können die vorhandenen Hard- und Software-Schnittstellen der Datenquelle sowie die lokal verfügbare Netzwerkinfrastruktur (LAN, WLAN, LTE, LORA) genutzt werden.
Prepare (Daten vorverarbeiten)
Nach der Erfassung werden die Datenströme entweder zentral auf einem Server oder dezentral am Ort der Datenentstehung mittels Edge Computing vorverarbeitet, um sie für die anschließende Speicherung aufzubereiten. Da die Daten in der Regel aus verschiedenen Quellen stammen und in unterschiedlichen Formaten vorliegen (z. B. strukturiert, als Zeitreihen oder als Sensor-Bytestream), sollten sie im Hinblick auf eine spätere Datenanalyse in ein einheitliches, flexibel auswertbares Format transformiert werden. Für die spätere Abstraktion der Daten ist zudem die genaue Zuordnung des Erfassungszeitpunkts und des Herkunftsorts essenziell. Bei der Verarbeitung von Zeitreihendaten empfiehlt es sich, vorhandene Messfehler zu korrigieren und etwaige Datenlücken durch Interpolationsverfahren zu schließen.
Accumulate (Daten speichern)
Die aufbereiteten Daten werden an einem zentralen Ort gespeichert. Die Wahl der Datenbank hängt u.a. von der Eingangsfrequenz der Daten ab und beeinflusst die Performance und Skalierbarkeit der späteren Auswertung und Analyse der Daten.
Abstract (Daten abstrahieren)
Vor der Analyse werden die Daten durch Aggregation auf verschiedenen Ebenen zusammengeführt. Solche Betrachtungsebenen umfassen unter anderem zeitliche Intervalle, die saisonale Einflüsse auf den Energieverbrauch sichtbar machen, sowie hierarchische Ebenen wie Unternehmens-, Gebäude- oder Anlagenebene, um den Energieverbrauch differenziert darzustellen.
Da Energiedaten potenziell sensible, personenbezogene Informationen enthalten können, wie etwa Rückschlüsse auf die Produktivität und Auslastung von Mitarbeitenden, sollte eine feingranulare Datenabstraktion mit abgestuften Zugriffsberechtigungen in Erwägung gezogen werden. Die Anonymisierung oder Pseudonymisierung der Daten im Rahmen der Vorverarbeitung ermöglicht darüber hinaus eine datenschutzkonforme Analyse.
Analyse (Daten analysieren)
Die eigentliche Datenanalyse in Form von grafischen Dashboards oder statistischen Auswertemethoden kann ebenfalls rückwirkend für eine weitere Datenaufbereitung genutzt werden, wenn bspw. Datenfehler oder fehlende Messwerte erst bei der Betrachtung von Lastgangzeitreihen-Diagrammen erkennbar sind.
Energie-Datenquellen
Für die Planung und Verifizierung von Energiezielen können Messdaten aus unterschiedlichen Datenquellen bezogen werden. Der vorliegende Abschnitt beschreibt Energie-Datenquellen, die Unternehmens und Branchenübergreifend häufig herangezogen werden.
Energiezähler
Eine der zentralen Quellen für Energiemessdaten sind Medienzähler, die von Messstellenbetreibern (MSB) oder Netzbetreibern (NB) installiert, betrieben und gewartet werden. Ihr primärer Zweck besteht in der Erfassung des kumulierten Energieverbrauchs, der für Abrechnungszwecke seitens des MSB oder NB verwendet wird. Diese Zähler sind typischerweise als stationäre Sensoren in die Infrastruktur integriert und befinden sich an zentral zugänglichen Orten, wie beispielsweise in Schaltschränken.
Eine Herausforderung bei der Erfassung von Energiedaten liegt in der Heterogenität der Zählerinfrastruktur, insbesondere bei älteren Zählern wie dem Ferraris-Zähler, bei denen die Messwerte manuell erfasst werden müssen. Zur Digitalisierung der Zählerinfrastruktur schreibt das Messstellenbetriebsgesetz (MsbG) vor, dass alle analogen Zähleinrichtungen bis 2032 im gewerblichen und privaten Bereich durch sogenannte „moderne Messeinrichtungen“ (mMe) ersetzt werden müssen. Diese modernen Messeinrichtungen ermöglichen die digitale Speicherung von Verbrauchsdaten über einen Zeitraum von bis zu 24 Monaten und können durch ein Smart Meter Gateway, ein vom Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) standardisiertes Kommunikationsmodul, zu einem „intelligenten Messsystem“ (iMSys) erweitert werden. Das iMSys überträgt die Energiedaten in nahezu Echtzeit (maximal alle 15 Minuten für Stromverbrauchsdaten) an den Netzbetreiber, um die Netzauslastung zu analysieren, und stellt diese Daten über ein Kundenportal des Energieversorgers dem Endnutzer zur Verfügung, wo sie exportiert werden können.

Edge Devices
Ein Edge Device ist eine dezentrale Recheneinheit, die in der Regel aus einem Datenlogger zur Aufbereitung und Sicherung von Messdaten sowie einer Kommunikationseinheit zur Übertragung der Daten über eine Netzwerkschnittstelle besteht. Über die verschiedenen Schnittstellen eines Edge Devices können Sensoren zur Datenerfassung angeschlossen werden. Darüber hinaus ist es möglich, über Bussysteme Mess- und Steuerinformationen von einzelnen Anlagenkomponenten direkt auszulesen.
Ein typischer Anwendungsfall eines Edge Devices ist das Auslesen optischer Impulsschnittstellen von digitalen Stromzählern im Bestand. Hierbei erfasst ein S0-Aufsetzkopf die Lichtimpulse, und basierend auf der vom Zähler definierten Anzahl der Impulse pro kWh berechnet das Edge Device die aktuellen Verbrauchswerte. Zur Überwachung einzelner Stromverbraucher oder -erzeuger kommen häufig auch Klappstromwandler oder Rogowski-Spulen zum Einsatz. Diese erfassen die Stromflüsse in einzelnen Leitern induktiv durch die Magnetfelder, die von den stromführenden Leitern erzeugt werden.
Öffentliche Messtationen
Eine weitere wesentliche Datenquelle für das Energiemanagement sind Online-Plattformen, die kostenfrei Wetter- und Klimadaten zur Verfügung stellen. Ein prominentes Beispiel ist der Deutsche Wetterdienst (DWD), der in Deutschland über 80 Wetterstationen betreibt und weltweit Wetterdaten für rund 5400 Standorte bereitstellt, wobei etwa 2600 dieser Stationen durch Interpolation aus benachbarten Stationen berechnet werden. Die Plattform ermöglicht den Abruf einer breiten Palette von bis zu 115 verschiedenen Wetter- und Klimaparametern, darunter Außentemperatur, Luftfeuchtigkeit, Windrichtung, Niederschlagsmenge, Niederschlagsart (z. B. Schnee, Regen), Luftdruck sowie die stündliche Sonnenscheindauer.
Zusätzlich stehen diese Parameter auch als Vorhersagen für bis zu 10 Tage zur Verfügung, was beispielsweise für die Berechnung von Ertragsprognosen von Photovoltaikanlagen genutzt werden kann. Eine weitere Anwendungsmöglichkeit ist die Klimabereinigung von Heizenergieverbräuchen. Der Zugriff auf die Daten erfolgt entweder über den CSV-Export von Klimafaktoren oder automatisiert über eine REST-API, wodurch eine kontinuierliche Integration von Wetter- und Klimadaten in ein Energiedatenmanagementsystem ermöglicht wird.

Betriebsverwaltungs- und steuerungssoftware
Die bestehende Betriebsverwaltungs- und Steuerungssoftware eines Unternehmens stellt eine weitere zentrale Datenquelle für das Energiemanagement dar. Betriebsverwaltungssoftware umfasst beispielsweise ERP-Systeme (Enterprise Resource Planning) zur Planung und Verwaltung von Geschäftsprozessen sowie CAFM-Systeme (Computer-Aided Facility Management) zur IT-gestützten Verwaltung von Gebäudeinformationen.
Betriebssteuerungssoftware wie GLT-Systeme (Gebäudeleittechnik) zur Überwachung und Steuerung von gebäudetechnischen Anlagen oder MES-Systeme (Manufacturing Execution Systems) zur Überwachung und Steuerung von Fertigungsprozessen gehören ebenfalls dazu. Diese Systeme sind in der Regel über standardisierte Protokolle wie BACnet oder Modbus direkt mit der Automations- und Feldebene verbunden.
Ein wesentlicher Vorteil dieser Systeme liegt darin, dass sie in vielen Unternehmen bereits implementiert sind und große Mengen an betrieblichen Daten generieren. Die aus diesen Systemen gewonnenen Daten stellen potenzielle Einflussfaktoren für den Energie- und Medienverbrauch eines Unternehmens, eines Gebäudes oder einer Anlage dar. So liefern ERP-Systeme beispielsweise Informationen zur Personalplanung und zu Betriebszeiten, während CAFM-Systeme Gebäude- und Raumpläne zur Verfügung stellen. GLT-Systeme liefern Mess- und Steuerdaten von Gebäudeanlagen, Zugangskontrollsystemen, Störmeldungen und Verbrauchszustände einzelner Anlagen, während MES-Systeme Daten zu Durchlaufzeiten und Produktionsmengen erfassen.

Fazit
Um konkrete Maßnahmen zur Steigerung der Energieeffizienz planen und umsetzen zu können, braucht es detaillierte Betrachtung der vorhandenen Energieverbraucher, um Verbesserungspotenziale und Schwachstellen zu identifizieren. Die Data Analytics Pipeline unterstützt im Rahmen eines Energiemanagements bei der systematischen Erfassung, Aufbereitung und Analyse der Energiedaten und deren relevanten Einflussgrößen.
Folgende Aspekte sollten Sie abschließend bei der Datenerfassung und -vorbereitung beachten:
- Der Zeitstempel eines Datenpunktes sollte so nah wie möglich am Zeitpunkt der Datenerfassung liegen (Zeitstempel wird oftmals erst beim Einlesen in die Datenbank erfasst)
- Eine ausreichende Genauigkeit der Datenquellen ist essenziell für eine qualitative Datenauswertung. (Korrekte Inbetriebnahme sicherstellen, Wartungsintervalle einhalten!!)
- Eine eindeutige Klassifizierung der Daten hilft bei der Abstrahierung der Daten, insbes. bei komplexen Bilanzgrenzen (z.B. Ort der Datenerfassung: De-Cologne-Halle1-MaschineXY-…)
- Eine detaillierte Analyse der Bestandssysteme (ERP, GLT…) spart Zeit und Kosten für den Aufbau weiterer Messtellen.
- Je mehr Daten für die Analyse erhoben werden können, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit reproduzierbare Erkenntnisse aus den Daten generieren zu können (Messintervall, Anzahl der Datenquellen).
Zur Überwachung der Energieziele im Rahmen des Energiemanagements ist die Bestimmung der Datenquellen und der zugehörigen Detailtiefe der Datenerfassung für viele Unternehmen eine große Herausforderung, weil es in der Regel an Personal fehlt, um dem anfallenden Pflegeaufwand im Energiecontrolling nachzukommen. Abhilfe verschafft ein softwaregestütztes Energiedatenmanagement-/Energiemonitoring-System, welches energiebezogene Daten teilweise automatisiert über Schnittstellen erfasst, speichert und in Form von Dashboards zur weiteren Analyse aufbereitet.
Wir beraten Sie gerne zu den Themen Energiemonitoring, Energieeffizienzmanagement und Energiemanagementsystem nach ISO 50001. Weiterführende Informationen zu unseren Dienstleistungen sind unter den folgenden Links verfügbar.
- Energieeffizienz-Management/Energiemonitoring
- Energiemanagementsystem nach ISO 50001
- 2 tägiger Workshop zum Energieeffizienzgesetz

Über den Autor
Als Maschinenbauingenieur (M.Sc.) mit Spezialisierung auf Mess- und Automatisierungstechnik ist Damian Bartocha erfahren in der Umsetzung von (I)IoT-Lösungen von der Auslegung der Mess- und Steuerungstechnik bis zur Daten- und Prozessintegration. In seiner Funktion als technischer Berater bei der TÜV Rheinland Consulting GmbH unterstützt er als zertifizierter Energiemanager Kunden bei der Einführung von Energiemanagementsystemen nach ISO 50001 und bei der Planung und Implementierung von Energiemonitoring-Systemen zur effizienteren Erfassung und Analyse von Energiedaten.
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